DIE VIER – Einleitung

Werte Kunden, bitte nicht wundern, im Folgenden hole ich manchmal noch weiter aus, als Sie es von mir kennen. Ich möchte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: auf Ihr Interesse eingehen und dem Tierschutzverein, von dem ich die Vier empfangen habe, die vertraglich vorgeschriebene Auskunft erteilen.  

DIE VIER

Seit einigen Wochen habe ich eine wunderschöne Verknüpfung mit der Zahl Vier. Einige Monate hatte ich im Internet nach neuen Hunden gesucht, zwei sollten es sein. Ein paar Mal hatte ich mit ein oder zwei Hunden geliebäugelt, doch es sprach immer etwas dagegen. Dann, am 08.10.2021, in meiner Mittagspause, entdeckte ich die vier Geschwister: Fenya, Moby, Rika und Jeannot! Alles passte. Nach ein paar Stunden stand vom Gefühl her fest, dass ich DIESE Hunde haben wollte. Nach zwei Tagen hatte ich mehrere Pläne, wie es funktionieren könnte. Um meinen vernünftigen Verstand zu beruhigen, klärte ich einige Punkte ab und legte mich formal erst sehr viel später fest, am 21.10.2021. Ich wollte DIE VIER so sehr, dass ich mich auf jeden Preis und jede Bedingung eingelassen hätte. Und noch viel später kamen DIE VIER am 11.11.2021 bei mir an. Endlich!

Kurzinfo: Geboren im Mai 2017. Mit sechs Wochen vor einem rumänischen Tierheim ausgesetzt. Seitdem durchgehend in diesem Tierheim. Einige Geschwister wurden vermittelt, DIE VIER sind übrig geblieben. Mittelgroße Mischlinge, kurzhaarig, hellbraun bis schwarz, sehr scheu. Auf den Vermittlungsseiten wurden sie als „allem Fremden gegenüber sehr schüchtern“ und „ängstlich“ beschrieben. Häufig werden solche Hunde als Angsthunde bezeichnet.

Kleiner Ausflug zum Begriff Angsthund: Damit ist allgemeinhin gemeint, dass die Hunde im neuen Zuhause sehr häufig Angst haben, dass der Alltag von Angst bestimmt sein wird und dass man immer mit panischem Verhalten rechnen muss. Weiterhin wird meistens davon ausgegangen, dass die Ängste zwar mit der Zeit weniger werden, man sich jedoch darauf einstellen sollte, dass die Angsthunde wahrscheinlich bis an ihr Lebensende ängstlich auf Neues, Fremdes, Unerwartetes reagieren. Ravil zum Beispiel galt im Tierheim als Angsthund. Bei Daria kann ich mich nicht mehr daran erinnern, aber auch sie hatte anfangs das Verhalten, aufgrund dessen sie vermutlich als Angsthund bezeichnet worden war. Und nun komme ich wieder mit meiner Eigenwilligkeit. Ich assoziiere mit dem Begriff Angsthund: ein Hund, der zunächst untrennbar mit Angst verbunden ist, Angst als seelisches Problem, Angst als gewichtiges Merkmal der Persönlichkeit hat. Diese Punkte trafen bei meinen Hunden teilweise auf Ronja (von Menschen geprägt und traumatisiert) und Daisy (von Menschen geprägt in reizarmer Umgebung) zu. Bei Kunden-Hunden sehe ich häufig langwierige, grundlegende Ängste, die durch körperliche Übergriffigkeiten in Form von menschlicher Liebe und Zuneigung entstanden sind. Wenn Menschen sehr lieben, sehen sie häufig nicht hin, ob der andere genießt, erduldet oder leidet. Im Gegensatz dazu waren bzw. sind Daria, Ravil und DIE VIER seelisch gesund. Sie hatten/ haben wie Wildtiere einen sehr guten Umgang mit sich selbst und ihren Gefühlen. Selbst in den wenigen Situationen, in denen von Menschen verursachte Ängste angetriggert werden, gehen sie gesund mit sich um: Sie erinnern sich, dass sie in einer ähnlichen Situation schon mal Angst hatten, woraufhin sie blitzschnell ihr Verhalten ändern, damit sie nicht in ein Angstgefühl kommen.

DIE VIER sind seelisch gesund und führen bei mir, seit wir die Leckerli-Wurmkur-Phase bewältigt haben, ein angstfreies Leben. Ab und zu erschrecken sie sich oder sind unsicher. Da sie bisher nur wenig kennengelernt haben, sind „viele Schubladen im Gehirn leer“. Nach und nach sammeln sie Erfahrungen und erstellen Verknüpfungen im Gehirn, die sie später in ähnlichen Situationen wieder abrufen können. Meine Tiere bekommen Abstand und Zeit. Wenn man unsicher ist (auch als Mensch), braucht man sich nur genügend Abstand zu verschaffen. Weit weg von der Bedrohung braucht man sich am sicheren Ort dann nur noch genügend Zeit zum Beobachten und Erkennen zu nehmen. So kann man angstfrei mit jeder Situation umgehen. Für einen Langzeiteffekt braucht man dann nochmal Zeit, damit das Gehirn die neue Verknüpfung abspeichern kann. Zusätzlich beschütze ich meine Tiere. Mit eigenem Abstand und meinem Schutz haben meine Tiere doppelte Sicherheit.

Tiere mit natürlichem Verhalten sind irgendwie beschäftigt, hören oder sehen plötzlich etwas, warten nicht lange sondern überlegen blitzschnell, ob sie das gesehene oder gehörte Objekt als sicher einschätzen. Wenn sie es nicht als sicher einschätzen, traben sie sofort weg. Da sie es frühzeitig machen, können sie locker wegtraben und in ihnen entsteht gar nicht erst ein Angstgefühl. Je mehr DIE VIER meinen Hof erkunden, umso häufiger kann ich dieses herrlich natürliche und gesunde Verhalten beobachten. In den ersten Tagen konnten DIE VIER sich nicht vorstellen, dass ein Zweibeiner nützliche Fähigkeiten haben könnte. Zur Zeit (Anfang Dezember 2021) ist der Stand, dass DIE VIER mir schon ziemlich häufig die grundsätzliche Sicherheitsüberprüfung zutrauen und überlassen, bevor wir durch ein Tor auf die nächste Fläche gehen. Doch im Konkreten noch nicht. Sie schnüffeln irgendwo, hören ein Geräusch und versuchen, die Geräuschursache zu entdecken. Falls ich schnell genug bin, bewerte ich das Geräusch hinsichtlich bedrohlich oder harmlos. Meistens entscheidet Fenya blitzschnell, ob sicher oder gefährlich, also ob sie bleiben oder den Rückzug antreten. Bei letzterem traben sie äußerlich vorsichtig und innerlich sicher mit lockeren Bewegungen zurück zu ihrem sicheren Ort. Meistens gibt es kurz danach einen Neustart.

Fotos: Meine Stammkunden langweilen sich jetzt bestimmt. Überspringen Sie einfach diesen Absatz. Für Neukunden und Interessenten erkläre ich kurz, warum es Fotos erst später geben wird. Die Körpervorderseite begrenzt, bedrängt oder bedroht. Abgesehen von Ausnahmesituationen oder Notfällen, zeige ich meinen Tieren anfangs meine linke oder rechte Seite (neutral) oder Rückseite. Mit meiner Rückseite zu den Tieren sind verschiedene Botschaften möglich. Neuen Tieren zeige ich hauptsächlich entweder dass ich sie vor einer Gefahr beschütze oder dass alles harmlos ist und ich zufrieden bin. Beim Fotografieren wendet man sich dem Tier zu, zeigt ihm die Körpervorderseite (= begrenzend), beugt sich mit dem Oberkörper meistens leicht vor (= bedrohend), sieht starr zum Tier (= fixierend) und spannt den Körper an, um das Foto nicht zu verwackeln (= insgesamt sehr bedrohlich). Deshalb sieht man auf Tierfotos oft Beschwichtigungssignale. Davor bewahre ich DIE VIER. Natürlich wird es trotzdem möglichst bald Fotos geben. Eine Möglichkeit ist, dass ich – sobald die Beziehung es im Guten ermöglicht – unauffällig seitlich an meinem Körper Videos aufnehme und später Fotos herausschneide. Die andere Möglichkeit braucht noch mehr Zeit. Eine zweite Person baut seit kurzem ein Vertrauensverhältnis zu den VIER auf, geplant ist auch eine dritte Person. Dann können zukünftig ein oder zwei Personen mit den VIERen agieren und die zusätzliche vertraute Person kann fotografieren, ohne die Situation zu verändern.

Mein Traum ist eine regelmäßige Dokumentation über mindestens zwei Jahre. Und das würde ich später gern aufbereiten, um es als beispielhaften Leitfaden zur Verfügung stellen zu können. Bei Daria und Ravil hatte ich leider nicht die Möglichkeit zur regelmäßigen Dokumentation. Für Halter von solchen und ähnlichen Hunden finde ich es wichtig, zuerst mal unterscheiden zu können zwischen einem Hund mit seelischen Problemen in Form von Ängsten und einem seelisch gesunden Hund, der ein echter Hund mit natürlichem Verhalten ist und die Fremdsprache Mensch nicht kennt oder mag. Sobald man weiß, was der Hund mitbringt und was er braucht, kann man ihn gut fördern. Das klingt langweiliger, als es ist. Tatsächlich sollte man prinzipiell bei allen Tieren, aber insbesondere bei Tieren mit natürlichem Verhalten (Nutztieren, Herdenschutzhunden, Straßenhunden, Hunden mit wenig Menschenkontakt in der Prägephase, Hunden mit weniger Menschen- als Tierkontakt in der Prägephase) über Neugier und Experimentierfreude verfügen. Bei diesen Tieren wirken die üblichen Umgangs- und Trainingsmethoden selten bzw. kaum. Dafür braucht man körpersprachliche Verständigung und natürliche Verhaltensweisen. Innerhalb der natürlichen und naturnahen Verhaltensweisen gibt es eine breite Vielfalt an Möglichkeiten. Und hier beginnt der spannende Teil. Auch ich mit meinen Erfahrungen kann nur im Groben vorhersagen, was welches Tier braucht und was es möchte. Tiere sind so herrlich individuell und die natürlicheren Tiere sind zudem herrlich anspruchsvoll. Deshalb faszinieren und beglücken mich DIE VIER. Bei vier Individuen brauche ich nicht davon auszugehen, dass ich mit nur einer Methode bei allen Erfolg haben werde. Ich hole jeden dort ab, wo er erfahrungsmäßig, seelisch, geistig und körperlich steht. Die Begriffe Versuche und Experimente sind für manch einen negativ besetzt. Für mich bedeuten diese Begriffe Fortschritt, Zierorientierung und Erfolg. Bei jedem neuen Tier, egal ob es ein Tier meiner Kunden oder mein eigenes ist, sehe ich mir die Probleme und die Zielstellung an. Um von den Problemen zu den Zielen zu gelangen, probiere ich zunächst meine für die jeweilige Tierart übliche Vorgehensweise. An all den Stellen, an denen meine übliche Vorgehensweise nicht fruchtet, sehe ich mir die individuelle Persönlichkeit an, schalte den kreativen Teil meines Gehirns ein, mache mir einen Plan, setze den Plan um und überprüfe, ob das Individuum sich darauf eingelassen hat. Wenn das Etappenziel erreicht ist: gut. Wenn das Etappenziel nicht erreicht ist: Analyse des Fehlers, Analyse der Fehlerursache, neuer Plan, Umsetzung des neuen Plans, Überprüfung, ob das Individuum sich darauf eingelassen hat usw. Nur durch dieses strukturierte und kreative Experimentieren konnte und kann ich Lösungen für Tiere finden, die bei üblichen Umgangs- und Trainingsmethoden wegen natürlichen Verhaltens oder wegen besonderer Probleme „durchs Raster fallen“.